Manfred G. Dinnes / Wilhelm Kaltenstadler
Die Rauhnacht
Geschichte und Mythos
eines Volksbrauches
Die
Geschichte, der Mythos und die in unserer Gegenwart noch
überlieferten, magischen Bräuche der Rauhnächte, in denen
unheimliche Gestalten ihr Unwesen treiben und Unerklärliches in
unserem Leben geschieht, stehen in diesem unterhaltsamen Sachbuch im
Mittelpunkt.
In
der oberen Lausitz, in der Oberpfalz, in Böhmen, im Mühlviertel, im
Innviertel sowie im gesamten Alpenvorland haben sich Merkmale
erhalten, die man unter „Rauhnächte“ zusammenfassen kann:
Merkwürdige Begebenheiten, seltsame Geschichten, Vermummungen mit
aberwitzigen, dämonischen Masken, elementare Spukgestalten, die oft
ganz bestimmte Namen tragen. Derlei Gestalten tauchen während der
Tage und Nächte um den Jahreswechsel auch andernorts auf. So in
Slowenien, Ungarn, Kroatien, in der Ukraine, den Tälern der Pyrenäen
und in den Karpathen. Das Ziel dieses Buches ist es, ethnologisch der
Verschmelzung verschiedener Kulturkreise durch die Zeit
nachzuforschen, hinabzusteigen in ein Kulturbild, das sich seinem
Wesen nach subkultan erhalten hat bis in die jüngste Zeit, auch wenn
die Darsteller, die in diese Masken schlüpfen, oftmals Nichtwissende
sind. Die landläufige Aussage, es handle sich um Bräuche,
überkommen aus dem Heidentum, bezeugt nur den Verlust der eigenen
Historie. Der Begriff „Paganismus“ besagt nichts anderes, als
hinter der Hecke zu leben, ungebildeter Vorwäldler zu sein, der
nicht an der gängigen Kultur teilhat. Wer das Wort „Heidentum“
begrifflich benützt, sagt damit aus, dass die Mächtigen, die immer
schon Geschichte geschrieben haben, Recht behalten haben. Sie schufen
eine Kultur der Dressur, mit der gleichzeitig alle Erinnerung an
zusammengetragene Archetypisierungen gelöscht wurde. Die
archetypische Kultur kann also nur noch im Untergrund weiterleben,
wie der Brauch der Heischegänger verdeutlicht.
Zum Inhalt:
Vorwort:
(Prof. Manfred G Dinnes) - Einleitung:
(Prof.Dr. Wilhelm Kaltenstadler) - 1.
Kapitel: „Im Namen
der Hoberngoaß (Habergeiss)“ - 2.
Kapitel: Vom Glauben
und der Herkunft des Drudenwesens (Alpdrücken) - 3.
Kapitel: Eine
Reminiszenz an die gemalten Bilder und Objekte der „Viechtwanger
Rauhnacht“ von 1985 und wunderliche Geschichten - 4.
Kapitel: Von der
Ignoranz paralleler Kulturentwicklung und dem Umgang damit, am
Beispiel: Hexen - 5.
Kapitel: Soziale
Missstände und deren Folgen im Fahrwasser der Rauhnacht: Fahrendes
Volk und Heischegänger - 6.
Kapitel: Die Anfänge
der Komödie, das bayerische Komödi–Spiel und der Sinn vom
Gebrauch der Masquerade - 7.
Kapitel: Das
„Freikugelgießen“ – ein Initiationsritual und
Beschwörungsformel von Zukünftigem - 8.
Kapitel: Die
Gegenreformation und die damit verbundenen Gründe der späten
Dokumente zu Sitten und Bräuche der Rauhnacht - 9.
Kapitel: Spiel und
Geschichten um die Rauhnacht - 10.
Kapitel: Alles dreht
sich um Zukunft, Fruchtbarkeit und Gold in rauen Mengen: Orakel,
Rituale um die Rauhnächte - 11.
Kapitel: Noch einmal
zu Wort - Franz Xaver von Schönwerth und die Rauhnacht - 12.
Kapitel:
Heid´is´Rauhnacht – wer hod´s aafbrocht – drei olde Weiwer und
a older Geiger – und a older Hennafuaß – den ma drei Tog siaden
muaß
Zu den Autoren:
Manfred G. Dinnes (* 2.
Oktober 1950
in Regensburg;
† 23.
August 2012
in Pettendorf)
war ein deutscher Maler,
Bildhauer,
Autor,
Regisseur
sowie Leiter der Galerie „Atelier & Galerie“, St.
Johann in Pfatter
bei Regensburg. Außerdem war er Kulturressortleiter von
„Europeonline-magazine“.
Er unternahm zum Studium anderer
Kulturen Reisen durch Europa (Spanien), den Vorderen Orient (Türkei,
Syrien und Irak) und Nordafrika (Marokko, Algerien, Mauretanien). Zur
Finanzierung der Reisen arbeitete er als Hafenarbeiter,
Bordmechaniker, Lastwagenfahrer. Nach schwerer Erkrankung kehrte er
1972 nach Europa zurück.
Im Jahre 1990 folgte er der Einladung
zu zwei Studienaufenthalten nach Počitelj
in Bosnien-Herzegowina.
Es entstand der Gemäldezyklus „West-östlicher Diwan“, eine
Hommage an Johann
Wolfgang von Goethe, als Ausdruck der Kulturbegegnung.
1994 entschloss sich Dinnes zur praktischen Hilfe für die
kriegsbetroffenen Gebiete in Bosnien-Herzegowina. Er wurde zum
Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Gesellschaft „Brücken –
für Humanität, Kultur, Toleranz und Dialog e.V.“ In
Zusammenarbeit mit dem in dieser Zeit eingesetzten EU-Administrator
vor Mostar
organisierte er zahlreiche Hilfstransporte, die neben
Lebensmittelspenden den Aufbau eines Notkrankenhauses, die Sicherung
zahnärztlicher Versorgung und die Einrichtung eines
Containerkindergartens ermöglichten. - 1997 wurde er zum Professor
für interkulturelle Zusammenarbeit an der Dzemal Bijedic
Universität Mostar und zum Professor für Freie Malerei und
Glasgestaltung an der Kunstakademie Sarajewo
ernannt.
Manfred Dinnes begnügte sich nicht
damit, als Künstler selbst produktiv zu sein. Es war ihm ein großes
Anliegen, moderne Kunst in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
begreifbar und nachvollziehbar zu machen.
Am 23. August 2012 nahm sich Manfred G.
Dinnes das Leben; am 26. August 2012 folgte ihm seine Frau Karin in
den Tod.
Wilhelm Kaltenstadler (* 22.
September 1936
in Affing)
ist ein deutscher Historiker
und Autor mehrerer fachwissenschaftlicher Bücher. Er veröffentlichte
Werke zur antiken und europäischen neuzeitlichen Sozial-,
Wirtschafts- und Kulturgeschichte
sowie zur bayerischen Volkskunde. - Nach seiner Schulzeit in den
humanistischen Gymnasien St. Stephan und Descartes in Neuburg an der
Donau, die er 1958 mit Abitur abschloss, studierte Kaltenstadler,
zunächst Philosophie und hebräische Sprachlehre an der
Philosophischen Hochschule St. Stephan in Augsburg. Danach folgte ein
Studium der Geschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilian
Universität in München und an der Rudolfs-Universität in Wien, wo
er mit dem Thema „Bayerisch-Österreichische Handelspolitik im 18.
Jahrhundert“ im Fach Wirtschaftsgeschichte bei Alfred Hoffmann 1966
mit „summa cum laude“ promovierte. Danach folgte von von 1966 bis
1969 ein Studium der Volkswirtschaftslehre als Stipendiat der
„Stiftung Volkswagenwerk“, welches er als Dipl.-Volkswirt „magna
cum laude“ abschloss. Dann folgte ein post-graduate Studium mit
Diplom-Abschluss in 1970 zur Geschichte des mediterranen Mittelalters
an der Universität Florenz. - Nach einer Tätigkeit als
wissenschaftlicher Assistent am Institut für Sozialgeschichte und
Demographie bei Walter Rubner an der Universität Regensburg bis 1971
wurde er 1972 akademischer Rat für den Bereich
„Wirtschaftsgeschichte“ am Institut für Alte Geschichte an der
LM-Universität in München und ab 1974 auch Lehrbeauftragter für
antike Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Ab 1977 widmete sich
Kaltenstadler neben seiner publizistischen Tätigkeit vor allem der
Erwachsenenbildung mit Kursen zur Ausbildung von Betriebswirten in
Steuer, Lehre und Finanzierung, und Studenten Fortbildungskurse im
Rahmen von Upgrade-Studien an den Instituten „Sabel-Akademie“
München und „Volkshochschule“ in München. Seit 1987 ist er für
das Telekolleg in Ingolstadt im Fach „Geschichte“ und seit 1997
auch in den Fächern Betriebliches Rechnungswesen, BWL und VWL tätig.
Daneben hielt er ab 1990 Vorträge zu den Themen Informationsbildung
und Globalisierung in Kooperation mit verschiedenen Konferenzen und
Veranstaltungen der Universitäten Prag und der Braca-Karic
Universität Belgrad. Im Mai 1998 erfolgte seine Ernennung zum
Honorarprofessor im Institut für strategische Studien an der
Braca-Karic-Universität Belgrad wegen seiner umfangreichen Kenntnis
slawischer Sprachen, der Geschichte und Kultur slawischer Völker in
Mittelalter und Neuzeit, und fächerübergreifender
wissenschaftlicher Tätigkeit. Er ist seit 2002 im Ruhestand in der
Nähe von München lebend. Kaltenstadler ist Vater von vier Kindern,
und verheiratet mit Hermine, geb. Biederwolf. - Wilhelm Kaltenstadler
ist wissenschaftlicher Beirat der „Nicolas-Benzin-Stiftung“ zur
Förderung der Bildung auf den Gebieten der Kulturgeschichte des
Judentums und der Geschichte der Medizin.
Buchauszug:
In
der oberen Lausitz, in der Oberpfalz, in Böhmen, im Mühlviertel, im
Innviertel sowie im gesamten Alpenvorland haben sich Merkmale
erhalten, die man unter „Rauhnächte“ zusammenfassen könnte:
Merkwürdige Begebenheiten, seltsame Geschichten, Vermummungen mit
aberwitzigen Masken, die teils auch ganz bestimmte Namen tragen.
Derlei Gestalten tauchen auch andernorts auf. So in Slowenien,
Ungarn, Kroatien, in der Ukraine, den Tälern der Pyrenäen und in
den Karpaten. Maskenspiele haben sich fast überall erhalten, oft nur
in einer Kümmerform.
Ziel
des Buches ist es, ethnologisch der Verschmelzung verschiedener
Kulturkreise durch die Zeit nachzuforschen, hinabzusteigen in ein
Kulturbild, das seinem Wesen nach sich subkutan erhalten hat bis in
jüngste Zeit, auch wenn die Darsteller, die in diese Masken
schlüpfen, oftmals Nichtwissende sind. Die landläufige Aussage, es
handle sich um Bräuche, überkommen aus dem Heidentum, bezeugt nur
den Verlust der eigenen Historie. Der Begriff „Paganismus“ besagt
nichts anderes, als hinter der Hecke zu leben, ungebildeter
Vorwäldler zu sein, der nicht an der gängigen Kultur teilhat. Wer
das Wort „Heidentum“ begrifflich benützt, sagt damit aus, dass
die Mächtigen, die immer schon Geschichte geschrieben haben, recht
behalten haben. Sie schufen eine Kultur der Dressur, mit der
gleichzeitig alle Erinnerung an mühsam zusammengetragene
Archetypisierungen gelöscht wurde. Die archetypische Kultur kann
also nur noch im Untergrund weiterleben, wie der Brauch der
Heischegänger verdeutlicht. - Nur in den schwer zugänglichen,
vergessenen Regionen Europas konnten sich Fragmente dieses
Kulturkreises halten, der vor dem unseren lag, wenn auch mit
wechselnden Vorzeichen. Vom Ritual, teils von der Rügesitte, vom
Heischegang, bis zur drohenden Kindererziehungsmaßnahme. In der
Zeit, wo alles nach dem sogenannten „Nordischen“ schrie, wurde
dann versucht, in den Raunächten altes kultisches Stammesgut zu
sehen, als „Born“ von „Blutsbrüdern“.
Geschichten,
die sich um die Raunächte ranken, sind mündliche Überlieferung.
Diejenigen, die darüber schreiben hätten können, saßen in den
Klöstern, in den Herrschaftshäusern und Kanzleien und denen waren
derlei Umtriebe ein Dorn im Auge und galten seit dem 19. Jahrhundert
formaljuristisch sogar als Landfriedensbruch (§ 175 des StGB).
„Raunacht“
(Rauhnacht): Dieser Begriff bezeichnet die Tage um den Jahreswechsel.
Je nach Region gab es in der Regel vier bis zwölf Raunächte. Nur
noch in wenigen Orten Oberbayerns bestand im 20. Jahrhundert das
Bewusstsein, dass es zwölf Raunächte gab. Raunacht ist der Zustand
bzw. die Zeit, wo die Nächte länger werden. Die Raunacht führt
hinüber in das neuerliche Anwachsen des Tages. Mit der Dunkelheit
beginnt das Reich der Dämonen, von elementaren Spukgestalten, die
das Schicksal der Menschen bestimmen. Wer an diesen Schicksalsmächten
rührt, ist ihnen unwiederbringlich verfallen, wer jedoch mit ihnen
umzugehen versteht, dem eröffnet sich ein kleines Fenster für
Zukünftiges.
(Kap.
"Ein- und Hinleitung zur Rauhnacht)
240
Seiten mit vielen Schwarz-weiß- und Farbabbildungen, Hardcover,
Format 16,5 x 24,5cm
EUR 26,10 (A) / CHF 45,70
Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 15. Dezember 2022 im Shop aufgenommen.