Kaltenstadler, Wilhelm
Das Haberfeldtreiben
Geschichte und Mythos eines Sittenrituals
Das Buch "Das Haberfeldtreiben" zeigt mit dieser Form der bürgerlichen Selbstjustiz, daß das Aufbegehren gegen die Obrigkeit nicht nur ein geschichtliches Phänomen ist.
Das Haberfeldtreiben ist ein aus dem 17. Jahrhundert stammendes Rügegericht im Bayerischen Oberland, das vor allem in der Gegend rund um den Tegernsee, Miesbach und Rosenheim ausgeübt wurde und dem oft Reiche oder Angehörige der Obrigkeit zum Opfer fielen, zumeist aber Frauen, die unverheiratet schwanger geworden waren. Dabei handelte es sich um ein nach mehr oder weniger festen Regeln ablaufendes Ritual, in dessen Verlauf den Beschuldigten in Versform ihre Verfehlungen vorgehalten wurden. In anderen Gegenden hatten Katzenmusiken oder Rappeln ähnliche rügegerichtliche Funktionen.
Anlass der Haberfeldtreiben waren Verstöße der Obrigkeit gegen das Recht, das Rechtsempfinden des Volkes, sowie Verstöße einzelner gegen Sitte und Moral. Die Teilnehmer, die Haberer, waren meist vermummt oder hatten geschwärzte Gesichter, damit sie von den Opfern nicht erkannt wurden, wenn sie sich um das Gehöft des Missetäters oft zu Hunderten versammelten und den Schuldigen ans Fenster oder an die Tür riefen. Haberer rekrutierten sich meist aus Bauern, Handwerkern und einfachen Arbeitern; sie führten meist Gewehre und verschiedene Lärminstrumente mit sich. Der Anführer, der so genannte „Haberfeldmeister“, war an zwei weißen Gockelfedern an seinem Hut zu erkennen.
Nach einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung und anerkannten Veröffentlichungen des Autors mit diesem kulturhistorischen Thema zeigt das Buch den neuesten Stand seiner Forschungen, die deutlich machen, daß die Empfindung von Ungerechtigkeit, Aufbegehren gegen die Obrigkeit und auch Selbstjustiz nicht nur geschichtliche Phänomene sind, sondern auch eine große Aktualität besitzen, wie der auf der Grundlage eines Haberfeldtreibens fußende Protest von 650 Bauern gegen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft in Bayern vor der Staatskanzlei in München am 3. Juni 2009 zeigt.
Zum Inhalt:
1. Entstehung des Haberfeldtreibens: Definitionen, Theorien, Interpretationen, Deutungen. 2. Die historische Entwicklung des Haberfeldtreibens: Struktur und Veränderung.
3. Sexualität und Moral beim Haberfeldtreiben.
4. Haberfeldtreiben, sozialer Wandel und soziale Konflikte.
5. Der Kampf der staatlichen Bürokratie gegen die Haberfeldtreiber.
6. Brauchtumsverlust und Niedergang des Haberfeldtreibens
7.Der Habererbund - Dichtung und Wahrheit.
Zum Autor:
Wilhelm Kaltenstadler, am 22. September
1936 im bayerischen Affing geboren, ist ein deutscher Historiker und
Autor mehrerer sach- und fachwissenschaftlicher Bücher. Er
veröffentlichte Werke zur antiken und europäischen neuzeitlichen
Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte sowie zur bayerischen
Volkskunde. Nach seiner Schulzeit studierte er
zunächst Philosophie und hebräische Sprachlehre an der
„Philosophischen Hochschule“ St. Stephan in Augsburg. Danach
folgte ein Studium der Geschichte und Philosophie an der
„Ludwig-Maximilian-Universität“ in München und an der
„Rudolfs-Universität“ in Wien, wo er im Fach
Wirtschaftsgeschichte 1966 mit „summa cum laude“ promovierte.
Danach folgte von 1966 bis 1969 ein Studium der Volkswirtschaftslehre
als Stipendiat der „Stiftung Volkswagenwerk“, welches er als
Dipl.-Volkswirt „magna cum laude“ abschloss. - Nach einer
Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am „Institut für
Sozialgeschichte und Demographie“ an der Universität Regensburg
bis 1971 wurde er 1972 akademischer Rat für den Bereich
„Wirtschaftsgeschichte“ am „Institut für Alte Geschichte“ an
der LM-Universität in München und ab 1974 auch Lehrbeauftragter für
antike Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. - Ab 1977 widmete sich
Kaltenstadler neben seiner publizistischen Tätigkeit vor allem der
Erwachsenenbildung mit Kursen zur Ausbildung von Betriebswirten.
Daneben hielt er ab 1990 Vorträge zu den Themen Informationsbildung
und Globalisierung. Im Mai 1998 erfolgte seine Ernennung zum
Honorarprofessor im Institut für strategische Studien an der
„Braca-Karic-Universität“ Belgrad.
Er ist seit 2002 im Ruhestand in der
Nähe von München lebend. - Kaltenstadler ist Vater von vier
Kindern, und verheiratet mit Hermine, geb. Biederwolf.
201 Seiten mit vielen Farb-und-schwarz-weiß-Abbildungen, Fußnoten-, Quellen- und Literaturverzeichnis, Sach-, Orts- und Personenregister, Hardcover, gebunden,
Format: 16,5 x 24,5 cm
26,10 € (A) / CHF 45,70
Dieser Artikel wurde am Sonntag, 15. Juli 2012 im Shop aufgenommen.